17
Apr
2005

Umweltbundesamt leugnet Chemtrails

Umweltbundesamt leugnet Chemtrails

Chemtrails – Gefährliche Experimente mit der Atmosphäre oder Fiktion?

Seitdem in der Zeitschrift Raum & Zeit 127/2004 der Artikel „Die Zerstörung des Himmels“ erschienen ist, hat das Umweltbundesamt (UBA) eine Vielzahl von Anfragen besorgter Bürgerinnen und Bürger zum Thema der so genannten Chemtrails – angeblich durch Flugzeuge in der Atmosphäre versprühte Chemikalien – erhalten. In dem Artikel wird unter anderem behauptet, dass im Rahmen geheimer Projekte der USA militärische und zivile Flugzeuge Aluminium- und Bariumverbindungen in die Atmosphäre ausstoßen, aus denen sich diese Chemtrails, ähnlich der Bildung von Kondensstreifen, entwickeln würden. Damit soll der durch den anthropogenen Treibhauseffekt hervorgerufenen Erwärmung entgegengewirkt werden.

Dazu nimmt das UBA wie folgt Stellung:

Für das in dem genannten Artikel erwähnte Einbringen von Aluminiumverbindungen in die Atmosphäre und die Bildung so genannter Chemtrails gibt es keinerlei wissenschaftliche Belege.

Auch im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) sind die beschriebenen Phänomene nicht bekannt. Im Institut für Physik der Atmosphäre des DLR werden seit vielen Jahren Untersuchungen zur Wirkung der Emissionen des Luftverkehrs auf die Atmosphäre – einschließlich der Messung gas- und partikelförmiger Emissionen von Verkehrsflugzeugen in einer Vielzahl von Fällen – durchgeführt. Falls es die so genannten Chemtrails gäbe, müssten beim DLR darüber Informationen vorliegen; die Messungen enthalten jedoch keinerlei Hinweise darauf.

Die Deutsche Flugsicherung GmbH hat bestätigt, dass im Rahmen der Luftraumüberwachung keine auffälligen Flugbewegungen beobachtet wurden, die etwas mit dem beschriebenen Sachverhalt zu tun haben könnten. Darüber hinaus hat der Deutsche Wetterdienst mitgeteilt, dass in den Beobachtungsdaten keine Besonderheiten auffindbar sind, die auf abweichende Formen von Kondensstreifen hindeuten könnten. Auch das Bundesministerium der Verteidigung hat keine weitergehenden Erkenntnisse. Das Hauptquartier der US-Luftwaffe Europa hat mitgeteilt, dass es die beschriebenen Projekte bei der US-Luftwaffe weder gibt noch gegeben hat.

Das UBA ist auch der in Zuschriften vorgetragenen Behauptung nachgegangen, wonach die Weltgesundheitsorganisation der Vereinten Nationen (WHO) angeblich eine Risikoanalyse über mögliche Folgen der Chemtrails unternommen hätte. Auf Nachfrage des UBA versicherte die WHO, weder über so genannte Chemtrails Kenntnis, noch eine Studie zum Thema unternommen zu haben.

In der Tat gab und gibt es im wissenschaftlichen Bereich verschiedene theoretische Vorstellungen, zum Schutz des Klimas unterschiedliche Stoffe (zum Beispiel Aluminiumoxid, Aluminium, Ruß, Eisenverbindungen) in die Atmosphäre einzubringen. Jedoch konnten sich diese Ansätze aus dem Bereich des Geo-engineering – das sind großmaßstäbliche Eingriffe in natürliche Vorgänge – nicht durchsetzen (auch nicht im experimentellen Maßstab). Denn: Abgesehen von der Frage der Wirksamkeit gibt es große Bedenken und Unsicherheiten, welche unvorhergesehenen weiteren Wirkungen mit solchen Eingriffen verbunden sein könnten. Darüber hinaus wären die Kosten für derartige Maßnahmen erheblich, denn das Einbringen der Verbindungen in die Atmosphäre müsste, um eine globale Wirkung zu gewährleisten, fortlaufend und in globalem Umfang vorgenommen werden.

Über das Internet wird eine Fülle von Material zum Stichwort Chemtrails verbreitet. Dabei wirkt aber keine Quelle wirklich glaubhaft, da keine überzeugenden Belege angeführt werden. Vielmehr sind Quellen mit Namen wie „spirithelp“, „conspiracyplanet“, „aliendave“ und „ufoseek“ zu finden. Die in diesen Quellen zum Teil gezeigten Photos von etwaigen Chemtrails geben keinen Anlass, dahinter etwas anderes als gewöhnliche Kondensstreifen oder Wolken (zumeist die unterschiedlichen Formen von Zirruswolken, die aus Eiskristallen bestehen) zu vermuten. Auch auf den verschiedenen Fotos, die Bürgerinnen und Bürger dem UBA gesandt haben, sind nach unserer Erkenntnis langlebige Kondensstreifen und Zirruswolken zu sehen. Offenbar werden meist als Kondensstreifen nur jene wahrgenommen, die sich kurzzeitig bilden und die sich – wegen zu geringer relativer Feuchte – rasch wieder auflösen.

Das Institut für Physik der Atmosphäre des DLR gibt folgende detaillierte Auskunft über die Bildung von Kondensstreifen: Kondensstreifen entstehen in hinreichend kalter Atmosphäre als Folge der Wasserdampfemissionen aus Flugzeugtriebwerken. Bei niedriger Feuchte lösen sich Kondensstreifen rasch wieder auf. Ist die Atmosphäre jedoch hinreichend feucht, können Kondensstreifen länger existieren und weiter wachsen. Unter geeigneten Bedingungen können sie sich zu großflächigen Zirruswolken (die im Falle einer solchen Entstehungsgeschichte Contrail-Cirrus genannt werden) entwickeln. Letztere sind dann nicht mehr von natürlichen Zirren unterscheidbar, sofern nicht ihre gesamte Entstehungsgeschichte beobachtet wurde. Nehmen Zirruswolken, die optisch sehr dünn sein können, eine große Fläche ein, erscheint dem Beobachter der Himmel milchig weiß.

Im Mittel sind rund 0,06 Prozent der Erde mit (linienförmigen) Kondensstreifen bedeckt. In Gegenden mit hohem Flugverkehrsaufkommen werden deutlich höhere Bedeckungsgrade erreicht; so lag Mitte der neunziger Jahre der Wert für Europa bei 0,5 Prozent. Den Bedeckungsgrad durch Contrail-Cirrus kennt man noch nicht. Erste Schätzungen liefern Werte, die etwa zehnmal so groß sind wie der Bedeckungsgrad mit linienförmigen Kondensstreifen.

Altern Kondensstreifen, bleiben sie nicht glatt, sondern bilden Formen, wie das auf vielen Fotos zu sehen ist. Dieser Vorgang ist ein lange bekanntes Phänomen und eine Folge der Turbulenz, die in der Atmosphäre allgegenwärtig ist. Diese Formen können auch durch numerische Simulationen reproduziert werden.

Mehrere Kondensstreifen nebeneinander entstehen zum Beispiel dadurch, dass Flugzeuge festen Routen folgen und die Windrichtung in der Höhe von der Flugroute abweicht. Dann werden die Kondensstreifen seitlich verschoben. An Knotenpunkten der Flugrouten können sich Kondensstreifen unterschiedlicher Orientierung bilden. Als Folge der Verschiebung der Kondensstreifen entstehen dann die auf Fotos festgehaltenen rautenförmigen Muster. Da Windrichtung und -geschwindigkeit praktisch nie gleich sind, entstehen aus vormals geraden Mustern gekrümmte Formen. Außerdem fliegen Flugzeuge nicht immer nur geradeaus, sondern auch Kurven, insbesondere während Warteschleifen in Flughafennähe. Das sieht man dann auch den Kondensstreifen an.

Bisher hat die Chemtrail-Thematik in den Medien hauptsächlich über die Zeitschrift Raum & Zeit Verbreitung gefunden. Schaut man die Inhaltsverzeichnisse der letzten Jahre genauer an, finden sich in dieser Zeitschrift fortlaufend Beiträge, die vom gegenwärtigen naturwissenschaftlichen und medizinischen Kenntnisstand abweichen (zum Beispiel Gegenthesen zu Relativitätstheorie, den Ursachen von AIDS und BSE). Auch mehrere Artikel, die den anthropogenen Treibhauseffekt und die damit verbundene Klimaänderung bestreiten, sind enthalten. Dies erscheint besonders widersprüchlich, angesichts der Behauptung an gleicher Stelle, Chemtrails seien der Versuch, die Wirkungen des menschengemachten Klimawandels zu mildern.

Abschließend ist festzuhalten, dass die Bildung von Zirrusbewölkung aus Kondensstreifen nach neueren Erkenntnissen in besonderem Maße zur Klimawirksamkeit des Flugverkehrs beiträgt. Kondensstreifen und Zirren erwärmen das Klima. Es wäre also kontraproduktiv, mit Hilfe zusätzlicher Zirren oder zirrenähnlicher Wolken der Klimaerwärmung aufgrund der anthropogenen Emissionen von Treibhausgasen entgegenwirken zu wollen.

Auf der Basis unseres gegenwärtigen Kenntnisstandes und der Zusammenschau aller oben erläuterten Aspekte schlussfolgern wir, dass die im Artikel „Die Zerstörung des Himmels“ aufgestellten Behauptungen nicht glaubwürdig sind.

Weitere Informationen zu den Auswirkungen des Luftverkehrs auf die Zusammensetzung der Atmosphäre und das Klima sind im Internet zu finden:

IPCC-Bericht zum Luftverkehr: http://www.ipcc.ch/pub/av(E).pdf
Tagungsband der AAC-Konfererenz: http://www.pa.op.dlr.de/aac/

Berlin, den 15.09.2004

Quelle:
http://www.umweltbundesamt.de/uba-info-presse/themendienst/td04-3.htm

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